Schreibberatung Pädagogische
Hochschule FHNW
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Eine günstige Wetterlage für Geistesblitze

Sie haben sich für ein Thema und eine Fragestellung entschieden, haben auch schon etwas dazu gelesen, kommen aber nicht vom Fleck. Sie haben das Gefühl, dass Sie gar nicht viel zum Thema, zu Ihrer Fragestellung zu sagen haben, es fällt Ihnen nicht viel dazu ein, Sie warten buchstäblich auf die «Eingebung».
Wenn das der Fall ist, machen Sie es wie Jo Reichertz: führen Sie eine günstige Wetterlage für Ideen oder Geistesblitze herbei.

 
Wie entstehen Ideen, wie kommt es zu ‹Entdeckungen› von Neuem, von Zusammenhängen, Widersprüchen etc.? Man kann sie nach Reichertz (2004) nicht durch spezifische Verfahren oder Methoden herbeizwingen, man ist aber dennoch nicht einfach dem blinden Zufall oder dem Schicksal hilflos ausgeliefert:

  1. Aber – wenn man schon den [Geistes-]Blitz nicht algorithmisch geregelt herbeizwingen kann – gibt es vielleicht Verhaltensweisen und Vorkehrungen, die es dem Blitz erleichtern ‹einzuschlagen›? Denn auch der Blitz kommt nicht völlig unerwartet. So tritt er – um im Bild zu bleiben – nur im Gefolge einer bestimmten Wetterlage auf. (Reichertz 2004: 281 f.)

Auch wenn sich eine Wetterlage mit Blitz und Donner nicht herbeizwingen lässt, so können wir doch Situationen schaffen, die eine günstige Wetterlage bewirken. Zweifel und Unsicherheit sowie Handlungsdruck sind wichtige Elemente einer günstigen Wetterlage.

Mit geeigneten Fragen lassen sich Zweifel und Unsicherheit steuern, notfalls auch herbeiführen, und werden die Fragen schreibend erarbeitet und beantwortet, erzeugt dies einen Handlungsdruck, der für einmal erwünscht ist:

  1. Lesen Sie die Fragen im Merkkasten auf der nächsten Seite.
    • Notieren Sie sich zu den Fragen Ihre Gedanken …
    • in Form von Stichworten,
    • in Form eines E-Mail an Sie selber,
    • in Form eines Dialogs,
    Variieren Sie die Schreibformen, brechen Sie aus Ihrem Schreiballtag aus.
  2. Geben Sie sich nicht mit den erstbesten Gedanken zufrieden. Gehen Sie an die Grenzen dessen, was Sie denken können.
  3. Lesen Sie das, was Sie geschrieben haben, durch: Markieren Sie Gedanken und Ideen, die Sie weiter verfolgen möchten.
  4. Gewähren Sie sich genug Zeit dazu: Günstige Wetterlagen entstehen nicht im Nu, sie bauen sich auf, manchmal über mehrere Tage.

  1. Innenansichten
    Was würde Ihr Thema über sich selber sagen? Was fände es an sich selber reizvoll? Was fände es an sich selber problematisch?
  2. Aussenansichten
    Gibt es bereits Vorbilder zu Ihrem Thema, zu Ihrer Fragestellung, die zum Nachahmen einladen, und solche, die nicht dazu einladen? Welche Arbeiten dazu gibt es bereits, die Sie auf Ihre Fragestellung übertragen könnten? Welche Vorteile, aber auch welche Nachteile ergeben sich daraus für Ihre Arbeit?
  3. Schnellansichten
    Stellen Sie sich vor, Sie müssten jetzt sofort Ihre Fragestellung beantworten: Wie lautet Ihre jetzige Antwort? Zögern Sie nicht, legen Sie sofort los! Sichten Sie Ihre schnelle Antwort: Welche losen Fäden zeigen sich? Welche Fäden würden sich für ein genaueres Hinsehen, Nachfragen oder Untersuchen lohnen?
  4. Verkehrte Ansichten
    Wie würden die zentralen Annahmen Ihrer Arbeit lauten, wenn Sie sie auf den Kopf stellen, in ihr Gegenteil verkehren? Welche Konsequenzen hätten solch «verkehrte» Annahmen für Ihre Arbeit, für Ihr Vorgehen? Gibt es VertreterInnen, die für eine oder mehrere dieser «verkehrten» Annahmen argumentieren? Was folgt daraus für Ihre Arbeit?
  5. Zukunftsaussichten
    Was wäre eine optimale Antwort auf Ihre Fragestellung? Was vielleicht sogar ein Knalleffekt, ein Donner? Was wäre eine ungünstige Antwort und warum? Was würde eine optimale, eine «knallige», eine ungünstige Antwort bewirken, bei Ihnen, bei den Adressaten und Adressatinnen Ihrer Arbeit?

Nach Ebertz (2009), die Ideenimpulse für den Marketingbereich formulierte; hier verschiedene Ausschnitte daraus adaptiert, teilweise umformuliert, teilweise mit anderen Fragen ergänzt.

 
Literatur

Ebertz, Anja (2009): Ideenrausch. 111 Impulse für neue Ideen. 2. Auflage. Zürich: Lardon.
Reichertz, Jo (2004): Abduktion, Deduktion und Induktion in der qualitativen Forschung. In: Flick, Uwe; Kardorff, Ernst von; Steinke, Ines (Hrsg.): Qualitative Forschung: Ein Handbuch. Reinbek: Rowohlt. S. 276–286.